FÜR EINEN AUGENBLICK IST ALLES GESAGT
Sie: "Liebst du mich noch?"
Er: "Ja."
Sie: "Wirklich?"
Er: "Ja."
Sie: "Wie meinst du das?"
Er: "So, wie ich es sagte."
Sie: "Mit dir kann man nicht reden."
Er: "Dann solltest du es bleiben lassen."
Daraufhin wird sie hysterisch.
Er: "Du liebst mich also nicht mehr."
Sie brüllt ihn an: "Das war meine Frage! Du hast mir meine Frage gestohlen!"
Er: "Du kannst sie gerne wiederhaben."
Sie: "Du liebst mich also nicht."
Er: "Nein."
DER ZWECK DES REGENSCHIRMS
Ich war in einen Regen geraten und hatte keinen Schirm dabei. Wie meist. Also dachte ich darüber nach, was wohl der Zweck eines Regenschirmes sei. Unter Berücksichtigung meiner langjährigen Erfahrung war die Conclusio eindeutig. Der primäre Zweck eines Schirmes ist es, nicht verfügbar zu sein, wenn er benötigt wird. Der Schirm ist da, um irgendwo liegen gelassen zu werden, um ihn zu vergessen, in einem Lokal, in der Arbeit oder bei einer Veranstaltung, einem Konzert oder im Zug. Jeder Schirm den ich besessen hatte, hat genau dieses Schicksal genommen. Und so wird es wohl auch meinem derzeitigen Schirm ergehen, den ich gerade nicht dabei habe. Vor diesem Regen, der sich soeben über mich ergießt, beschirmt er mich jedenfalls nicht. Regenschutz ist also nur eine subsidiäre Funktion eines Regenschirmes. In erster Linie existiert er, um verloren zu gehen und nicht da zu sein.
FÜHRE SIE MIT ANGST, DENN MIT ZUVERSICHT KÖNNEN SIE DIR GEFÄHRLICH WERDEN
Am einfachsten sind die Menschen zu führen, wenn sie verängstigt und verunsichert sind. Daher haben unsere Schamanen und Priester die Hölle erfunden. Sehr schwierig zu kontrollieren sind die Menschen, wenn sie selbstbewusst, begeistert und zuversichtlich sind. Die Verängstigten zeigen sich zögerlich und passiv, während die Hoffungsvollen thymotisch aktiv sind.
Wenn die Menschen Angst haben, suchen sie bei ihrem Priester Schutz und Geborgenheit. Und es reicht, wenn dieser vorgibt, ihr Beschützer zu sein. Sie lassen sich dann wie Kinder an der Hand führen. Als kleine Geste verlangt der Priester bloß, dass man seine Worte nachbetet und ab und zu Weihrauch spendet – oder Münzen.
Und jetzt setzen Sie statt Priester Wissenschafter ein - oder Politiker.
Und jene, die nicht nachbeten und nicht spenden wollen, die kritisieren, das sind die Anderen, die Gegner, die Bösen, die Teuflischen, die Ketzer, die Leugner.
Also, seien sie wachsam und nehmen sie sich in Acht vor den Schwarzmalern, vor den Teufel-an-die-Wand-Malern, vor den Unterganspropheten, vor den Zukunftslosen, den Aposteln der Katastrophe und den Vorbetern der Dystopie.
Wieviel tausend Male haben sie uns den Untergang prophezeit? Sogar mit einem konkreten Datum versehen? So wie es jetzt wieder in Mode gekommen ist.
Das Mittelalter war geprägt von solchem Aberglauben. Dürers Bild der »Apokalyptischen Reiter« bezeugt die Endzeitstimmung Ende des 15. Jahrhunderts. Krieg, Teuerung und der Tod reiten über die Welt hinweg und vernichten jeden. Die Welt sollte in der Neujahrsnacht 1500 untergehen. Wo bitte, ist da ein Unterschied zu den heutigen Unkenrufern, die dem Untergang Datum oder Kipppunkte verpassen? Schon jetzt werden wir bestraft mit Umweltkatastrophen wie Überflutungen und Walbränden, mit Krieg, Teuerung und neuartigen Krankheiten. All diese Zeichen beweisen, das Ende ist nah!
Pessimistisch sind die hochmodernen Deutungen der Zukunft.
VON AFFEN
Regen peitscht seit Tagen übers Land. Finstre Wolken verdunkeln die Sonne. Die Nächte sind pechschwarz, die Tage dunkelgrau. Ab und zu durchzucken grelle Blitze die feuchtkalte Finsternis. Anschließend knistert es beängstigend markerschütternd, als würden Zähne und Knochen brechen. Es folgen Sekunden einer unheimlichen Stille, bevor mächtiges Donnergrollen, als könnte die ganze Welt in die Luft gesprengt werden, aus dem unwirtlichen Chaos hervorbrüllt.
Eine Horde von Affen hat sich unter einem Felsvorsprung eng zusammengekauert und begafft mit ängstlichen Augen die dramatische Szenerie.
Da spricht einer von ihnen, ein ziemlich großer Affe, und sagt: "Da oben, hinter dem Gewölk, sitzt ein ganz, ganz großer Affe und wirft Blitz und Donner auf uns herab und er macht die Nächte schwarz und die Tage grau, schickt kalten Regen. Er hat die Sonne verhüllt".
Die Affen fürchten sich noch mehr als vorhin und rücken ein wenig enger zusammen.
"Und wisst ihr, warum der ganz große Affe Blitze und Donner auf uns schleudert? Weil er böse geworden ist, da ihr ihn nicht anhimmelt. Ihr müsst ihn anbeten und ihm ein wenig spenden. Dann hört das wieder auf! Und ich kann euch zeigen, wie man richtig anbetet und richtig spendet. Wollt ihr, dass ich euch das zeige?"
"Ja, ja, bitte ja!", brüllt die Herde.
"Wollt ihr, dass euch die Sonne wieder wärmt?", fragt der große Affe mit gestrenger Mine.
"Ja, ja, bitte, lass die Sonne wieder scheinen!", lallt die Menge euphorisch.
"Gut, dann tut ab jetzt einfach, was ich euch sage!"
Wie die Geschichte weiter ging: Der große Affe dachte sich eine Zeremonie aus, die er von allen nachäffen ließ. Jeder Affe sollte die Arme hochreißen und "Uh-uh-uh" brüllen und eine Banane auf den Opfertisch legen. Und siehe da, das Unwetter verzog sich und die Sonne kam wieder hervor. Nur für einen Affen endete die Geschichte weniger sonnig. Dieser meinte, es würde vom Wetter abhängen und nicht von der Zeremonie, ob die Sonne nun scheint oder nicht. Der große Affe verkündete, man müsse diesen Abweichler aus der Gruppe entfernen, weil diese Meinung den ganz großen Affen erzürne. So wurde dieser Affe ausgestoßen. Oder gesteinigt oder verbrannt, jedenfalls gecancelt. So genau weiß man es nicht.
